„Am besseren Mischen kommen Stiftungen nicht vorbei“

Auf einen grünen Tee auf dem roten Sofa mit Frank Wieser, Geschäftsführer Haus des Stiftens

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Frank Wiesner
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Es ist immer wieder eine wahre Freude, mit Frank Wieser über Stiftungsvermögen zu sprechen und zu diskutieren. Der Geschäftsführer des Haus des Stiftens hat in seiner Karriere als Vermögensprofi einfach schon zu viel Wasser die Wupper runterfließen sehen, als dass ihm keine Ideen für das Agieren im aktuellen Anlageumfeld kommen. Für ihn ist es einfach wichtig, dass Stiftungen im Stiftungsvermögen mit der Zeit gehen, dass sie ohne Scheuklappen zeitgemäß anlegen – und eben heute bereits den Blick auf 2030 richten.

FondsFibel: Lassen Sie uns zuerst einmal einen Blick auf 2030 werfen. Seit dem 24. Februar 2022 leben wir ja in einer anderen Welt. Verlangt diese von Stiftungsverantwortlichen den Blick über den Anleihe-Tellerrand? Das gemütliche Aussitzen ist ja vermutlich vorbei.
Frank Wieser: In 2030 werden wir ganz andere Dinge sehen. Wir werden erleben, dass Private Equity und Venture Capital investierbar sind, das wird völlig normal sein. Ebenso wird Nachhaltigkeit klar implementiert sein. Stiftungen werden ihren Mix der Ertragsquellen weiten, etwa um Erträge aus Private Equity. Hier werden die Kosten für Stiftungen vermutlich auch sinken. Es wird weiterhin Aktien im Stiftungsvermögen geben, am besseren Mischen kommen Stiftungen aber nicht vorbei. Vor allem werden wir ein deutlich besseres Reporting der ganzen Anlagen sehen, aus dem sich verschiedene Dinge herauslesen lassen. Wie zum Beispiel, um wieviel X Tonnen ich mit dem investierten Geld den CO2-Ausstoß senke. Wir haben jetzt das erste Reporting gesehen von unseren Anlagen, das war spannend. In diesem hat die Bank uns gesagt, wie viel CO2 wir konkret einsparen und sie hat es ins Verhältnis gesetzt. Das, was wir einsparen, entspricht zum Beispiel fast 10.000 Flügen von Berlin nach New York. Das muss ja vergleichbar gemacht werden, dass man die Dimensionen verstehen kann. Dies ist für Stiftungen sehr wichtig.

FondsFibel: Sie betreuen hunderte Stiftungen, da geht es übergeordnet auch um Vermögensorganisation. Ändert sich da jetzt etwas, mit Zins und Stiftungsrechtsreform?
Frank Wieser: Gefühlt ist es wie bisher, aber es zeigen sich erste Veränderungen, die sich weniger aus der Reform, sondern primär daraus ergeben, dass es jetzt wieder Zins gibt. Es kommen die ersten Anfragen, wie damit umzugehen ist, dass es jetzt wieder drei, vier Prozent gibt – von Stiftungen, aber auch von unseren Fonds, die sich fragen, was jetzt an Ertrag drin ist. Da ändert sich gerade viel. Auch der Trend, ETFs zu kaufen und diese dann ,,liegenzulassen“ und zu schauen was passiert, ist vorbei, weil wir jetzt zwei Krisen mit Ukraine und Inflation haben. ETFs müssen Stiftungen schon aktiv einsetzen, denn in Zeiten voller Krisen ist die Zeit von ‚Index abbilden und liegen lassen‘ vorbei.

FondsFibel: Heißt das: Triple A“ (Aktie, Anleihe, Alternatives) als eine Mischung, die auch die großen Stiftungen in den USA schon sehr lange sehr erfolgreich machen, passt eigentlich besser in die Zeit?
Frank Wieser: Ich hatte heute Morgen noch ein Telefonat mit einer Stiftung und habe gefragt, „wieso sind Sie so übervorsichtig?“ Wenige Aktien, sehr kurz laufende Anleihen, das war das Bild. Ich habe vorgeschlagen, mal einen Zins für sechs, sieben Jahre einzuloggen. Dann sagte mein Gegenüber: Ja, aber der Realzins und die Inflation… Ich sagte: „Ja, aber in zwei, drei Jahren werden wir uns freuen, das gemacht zu haben. Vielleicht gibt es noch etwas mehr Zinsen, vielleicht sinken die Aktien, das weiß ich nicht, aber das ist eine Zeit, in der man durchaus mal Zinsen einsammeln kann und umgekehrt auch einen gewissen höheren Aktienanteil benötigt, der dann aber viel besser gemanagt werden muss als früher.“

FondsFibel: Das bedeutet ja, dass die Qualität aktiven Managements dann auch wieder stärker in den Stiftungsfokus rückt. Richtig übersetzt?
Frank Wieser: Auf jeden Fall. Die Anfragen hierzu nehmen bei uns deutlich zu. Und viele wissen gar nicht, dass man auch Anleihen gut managen muss. Das ist ja nicht nur die Aktienseite. Aktienseite klingt immer so spannend, da kann man eigentlich eine Geschichte zu erzählen. Aber eine Geschichte über einen Zins von 3,8 oder 3,9% ist todlangweilig. Aber gerade die Anleiheseite muss wieder gut bewirtschaftet werden und bietet eine riesige Chance, jetzt auf Jahre hinweg wieder Zins einzuloggen.

FondsFibel: Wir haben jüngst mit dem Ansprechpartner für Stiftungen eines unserer Club-der-25-Fonds gesprochen. Dieser sagte uns, dass die kommenden fünf Jahre für bestimmte Anleihefonds sehr erfolgreich sein werden, vermutlich die besten der letzten 15 Jahre, weil diese 5% sehr sicher geliefert werden könnten. Teilen Sie diesen Optimismus?
Frank Wieser: Ja, und das heißt für eine Stiftung oder eine Non-Profit-Organisation doch das Folgende: Auf der anderen Seite stehen Projekte, die ich finanzieren will. Wie war das in der Vergangenheit? Ich hatte 0 Prozent Zins oder Minuszins und musste den Ertrag über die Aktienseite, die zugegebenermaßen gut gelaufen ist, rausholen. Vielleicht hatte ich hier und da auch noch einen Immobilienfonds. Immobilien können wir im Augenblick knicken, die Aktienmärkte sind unten. Ich habe jetzt bei Anleihen doch eine andere Basis, wieder Projekte zu kalkulieren. Genau da erschließt es sich mir nicht, dass viele so zögerlich agieren.

Frank Wiesner

FondsFibel: Wie nehmen Sie denn das ganze Thema Anlagerichtlinie wahr? Ist es zutreffend, dass viele Stiftungen (immer noch) keine Anlagerichtlinie haben?
Frank Wieser: Ja, also das nehmen wir wahr. Es ist im Grunde eine Dreiteilung: Zum einen gibt es Stiftungen, die nach wie vor keine Anlagerichtlinien haben, zum anderen Stiftungen, die Anlagerichtlinien aus den Jahren 2008 bis 2010 haben. Das gibt es sehr häufig. Das sind Anlagerichtlinien aus dieser Nach-Lehman-Brothers-, Nach-Zertifikate-Welt, aber diese wurden dann 10, 15 Jahre nicht weiter verfolgt. Schließlich erleben wir inzwischen sehr wohl, dass Stiftungen sich in der Tiefe beraten lassen, wie eine Anlagerichtlinie aufzusetzen ist. Auch vor dem Hintergrund, was dort zum Thema Nachhaltigkeit aufgenommen werden soll – oder auch, ob aus Haftungsgründen heraus das Thema Nachhaltigkeit außen vorgelassen wird. Nachhaltigkeit ist zwar wichtig, aber reinzuschreiben, dass man als Stiftungsvorstand für umfassende Nachhaltigkeit hafte, ist auch schwierig.

FondsFibel: Wie nähern Sie sich denn dem Themenkreis Nachhaltigkeit an?
Frank Wieser: In unseren Vermögenspooling-Fonds setzen wir auf ein dreistufiges System. Stufe eins ist, dass wir als Haus des Stiftens eigene Anlagerichtlinien haben, die wir – in der zweiten Stufe – an einen mit der Umsetzung betrauten Vermögensverwalter geben. Und auf der dritten Stufe lassen wir uns extern prüfen. Ich möchte mit keiner Stiftung, mit keinem Anleger diskutieren: Nestle ja oder nein? Tesla- Elektromobilität, aber Kobalt-Minen in Afrika, ja oder nein? Das geben wir eben dem Dritten, der eine eigene Beurteilung vornimmt. Es passiert schon ein-, zwei oder dreimal im Jahr, dass zwischen dem Vermögensverwalter und der Drittüberprüfung ein Dissens besteht. Diesen müssen sie dann miteinander diskutieren und uns darüber verständigen. Wir wollen als Haus einen Rahmen schaffen und uns dann durch neutrale Dritte prüfen lassen. Wir sind da nicht oberschlau als Haus, aber wir wollen vernünftige Investitionsmöglichkeiten für Nachhaltigkeit anbieten.

FondsFibel: Der Dachverband der Finanzverantwortlichen für die Bildungseinrichtungen in den USA, bei dessen Umfrage jährlich 1700 Verantwortliche befragt werden, zeigt, dass sich mit Private Market-Chancen weiter auseinanderzusetzen ist. Würden Sie das teilen?
Frank Wieser: Ich würde teilen, dass wir in ganz andere Zeiten kommen. Wir haben jetzt noch hohe Inflation, hohe Zinsen, aber was ist in zwei Jahren? Da ist die Inflation zurückgegangen und – ich fantasiere jetzt – man bekommt 2 oder 3% Zinsen. Die Aktienrenditen werden nicht mehr Durchschnitte von 7 bis 9% erreichen, sondern deutlich darunter liegen. Ein gemischtes Portfolio wird nach Kosten bei 1,5 bis 2,5% Rendite liegen, mehr wird es nicht sein. Und wir müssen uns darauf einstellen, dass es ruckelig wird. Der Amerikaner sagt: ,,Bumpy road ahead.“

FondsFibel: Genau dann ist dieses Thema Private Market durchaus eines, das man auf dem Schirm haben kann? Beziehungsweise Alternatives?
Frank Wieser: Wir haben diese Nachfragen auch und wir werden als Haus des Stiftens in diesem Jahr wahrscheinlich auch mit einem Produkt kommen, ob wir selbst auflegen, Co-Investor sind oder uns beraten lassen, wissen wir noch nicht. Im Grunde genommen sagen uns ganz viele Stiftungen Eines. Die Welt, in der wir jetzt leben, ist bezogen auf Aktien ein bisschen grüner. Warum investiert ihr also nicht in Unternehmen, die den Unterschied machen können in der Welt? Da sind wir echt hinterher. Natürlich finden wir viele Unternehmen, die einen Unterschied machen, das Problem ist aber, dass diese auch Ausfälle haben, zum Teil 70 oder 80% in ihren Branchen. Das beißt sich dann wieder mit dem Stiftungsrecht, gerade hinsichtlich der Ausschüttungsfähigkeit. Trotzdem müssen gerade wir als Haus einen Schritt gehen weg von diesen traditionellen Anlagen hin zu dunkelgrün und investierbar. Wir versuchen jetzt, den Markt hier viel besser zu verstehen.

FondsFibel: Pooling kann hier ja dann ein Weg für Stiftungen in die Umsetzung sein. Was ist die Idee hinter Pooling, auch hinter Ihren Vermögenspooling-Fonds?
Frank Wieser: Diese Pooling-Fonds sind im Grunde gedacht als Einsteiger-Fonds. Was nicht heißt, dass das nach oben nicht offen ist. Es geht, wenn man ein kleines Vermögen hat, darum, beim Investieren sicher sein zu können, dass man keine übertriebenen Gebühren zahlt, dass auf die Vermögensverwalter dahinter so ein bisschen aufgepasst wird. Der zweite Punkt beim Pooling, der gerne übersehen wird, ist, dass es auch ein Gremium aus Finanzexperten und Stiftungen gibt, das ein bisschen auf Performance, Ausschüttungen und Ergebnisse achtet. Und diese Konstellation aus günstigen Kosten, vernünftigen Vermögensverwaltern und einer Governance-Struktur kann man als kleine Stiftung nur zu einem sehr hohen Preis abbilden. Das ist der Vorteil. Wir haben auch große Stiftungen, die sich fragen, warum sie sich einen Vermögensverwalter mit den gleichen Strukturen holen sollen, das andere ist ja zumindest gleich gut. Außerdem ist es in der Stiftungsbuchhaltung, weil es ja nur einen Umsatz im Jahr gibt, viel leichter abzubilden.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen

FondsFibel: Aber da sind wir auch noch auf einem Weg. Viele Stiftungen, das erlebe ich bei vielen Veranstaltungen, haben etwas Angst vor dem Zugang. Woran liegt das?
Frank Wieser: Hürden abzubauen für die diejenigen, die in Stiftungen Entscheidungen treffen müssen, ist sehr wichtig, darum muss es gehen. Anfragen von Stiftungen müssen einfach stiftungsspezifisch beantwortet werden, ob sich die Interessenten dann für ein Investment entscheiden, ist allerdings etwas anderes. Aber die Hürden, auch ,,blöde“ Fragen stellen zu können, die müssen weg. Wir haben da im Haus eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut.

FondsFibel: Wenn Sie heute eine Stiftung aufstellen würden, die mit fünf Millionen Euro zu Ihnen kommt und sich in diesem Umfeld arrangieren muss, was wären so Ihre Maßgaben?
Frank Wieser: Wir bieten seit Neuestem einen Service an, dass wir für diese Stiftungen den Vermögensverwalter aussuchen oder vorstellen. Am Ende muss die Stiftung entscheiden, wir fragen nur danach was diese will: Nachhaltigkeit, Ausschüttung, Kosten, welches Risiko oder ihre lokale Bank im Wettbewerb zu sehen. Wir bieten inzwischen als Service an, aus unserem riesigen Netzwerk vier, fünf Vermögensverwalter einzuladen, natürlich nach den Maßgaben der betreffenden Stiftung. Wir stellen das vor, geben Empfehlungen oder Hinweise, aber wir treffen die Entscheidung dann nicht, alleine schon, um nicht haftbar gemacht zu werden. Aber die Entscheidung wird dann stiftungsindividuell getroffen. Im letzten Jahr beispielsweise hatten wir ein angelsächsisches Unternehmen, das ganz klar gewonnen hat, weit besser als alle anderen, dann sagte aber der Stiftungsvertreter zu mir, dass es schwer erklärbar sei, wie es genau zu diesem Ergebnis kam. Was auch in Ordnung ist, weil es darum geht, dass die Stiftung zufrieden ist und sich gut betreut fühlt.

FondsFibel: Was ist für Sie der Unterschied zwischen einem diskretionären Weg, sich einen Vermögensverwalter auszuwählen, der mit dem Vermögen vertragsgemäß umgeht, und einem Fondsportfolio? Es hat eigentlich beides seine Daseinsberechtigung und hängt von der Stiftung ab, oder?
Frank Wieser: Mir ist das salopp gesagt egal. Wenn man ein gutes Fondsportfolio hat, braucht man keinen Vermögensverwalter. Wenn man jemandem im Stiftungsvorstand hat, der ab und an nach dem Rechten schaut, braucht es keinen Stiftungsverwalter. Wofür auch? Die haben dann ja auch eher die Tendenz, viel im Portfolio zu bewegen, dann hat man viele Umsätze, was in der Stiftungsverwaltung hohe Kosten verursacht. Das muss nicht sein. Es genügen drei, vier Top-Fonds, fertig.

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FondsFibel: Schön, wenn es in komplexen Zeiten auf komplexe Fragen noch relativ einfache Antworten gibt. Wir danken Ihnen für Ihre Denkanstöße und das Gespräch zu Ihrer Sicht auf Stiftungsvermögen 2030.